Eindrücke aus den Kursen


Leitfaden für die Kurse:
Wege zur Kreativität 

• Vertrauen
• Entspannung
• Eigene Stimme
• Kraft der Fehler
• Rollen und Masken
• Das freie Spiel 
• Zuhören und Antworten

Mut, Meditation und Mitte - Wege zum inneren Gleichgewicht:
Hier sind ein paar Eindrücke aus einem Nachmittagsworkshop in Bern, für Architekturstudierende der Fachhochschule Bern/Burgdorf, im Wahlmodul Strollology, researchwalkers.ch, einer Forschungsgruppe von Joana Teixera Pinho und Henriette Lutz.

"Die Fantasie ist der lebendige Teil unserer Wirklichkeit."
Trudi Schoop, Tanztherapeutin

Der Tanz des Tausendfüsslers
freie Nacherzählung einer Fabel von Gustav Meyrink, von Michael Ende
aus: "Rede über das Ewig-Kindliche" Michael Ende

"Auf einem großen glatten Stein tanzte jeden Tag, wenn die Sonne schien, zu einer bestimmten Stunde ein Tausendfüßler. Die anderen Tiere kamen von weit her, um ihm zuzusehen, wie er auf unnachahmlich anmutige Art seine Schleifen und Spiralen beschrieb, wobei sein Körper im Licht funkelte und glänzte, als wäre er aus Edelsteinen zusammengesetzt. Es war eine Lust, ihm zuzusehen, und alle Tiere lobten seine Kunst und Grazie. Doch der Tausendfüßler tanzte nicht um des Ruhmes und der Bewunderung der anderen willen. Er merkte kaum etwas von seinen Zuschauern, so versunken war er in seinen Tanz.
Nun lebte ganz in der Nähe eine große, dicke Kröte unter einer Baumwurzel, die ärgerte sich über das, was der Tausendfüßler tat. Sei es, dass sie neidisch auf seine Anmut und seine Grazie war, sei es, dass sie überhaupt etwas gegen solche zwecklosen Tätigkeiten wie Tanzen hatte, jedenfalls hatte sie beschlossen, dem Tausendfüßler sein Spiel zu verderben. Das war nun freilich nicht ganz einfach, denn sie wollte sich dabei nicht dem Tadel und den Vorwürfen der anderen Tiere aussetzen. Sie dachte sehr lange nach, und eines Tages hatte sie eine glänzende Idee. Sie schrieb dem Tausendfüßler einen Brief etwa des folgenden Inhalts: O du Bewundernswerter, du Meister des anmutigen Tanzes und der komplizierten Schleifen und Spiralen! Ich bin nur ein Armes, Nasses, Schlüpfriges, und habe nur vier plumpe und ungeschickte Beine. Darum bewundere ich dich über alle Maßen, der du es fertigbringst, deine tausend Füße so in wunderbarer Ordnung zu bewegen. Ich möchte so gerne nur ein ganz klein wenig von dir lernen. Darum sage mir doch, du Bewundernswerter, wenn du deinen Tanz beginnst, bewegst du dann zuerst den ersten linken Fuß und dann den neunhundertneunundneunzigsten rechten? Oder beginnst du mit dem tausendsten linken und nimmst dann den fünfhundertdreiundzwanzigsten rechten, worauf du als nächsten den siebenunddreißigsten linken bewegst, und danach den siebenhundert­zwölften rechten? Oder machst du es umgekehrt? Erkläre doch bitte mir Armem, Nassem, Schlüpfrigem, das nur vier Beine hat, wie du es anstellst, auf dass auch ich unwürdiges Krabbeltier ein wenig Anmut erlerne.
Diesen Brief legte die Kröte auf den Stein, und als der Tausendfüßler das nächste Mal kam, um zu tanzen, fand er ihn und las ihn. Er begann nachzudenken, wie er es anstellte. Er bewegte dieses Bein und dann jenes Bein und versuchte sich zu erinnern, wie er es bisher gemacht hatte. Und er musste feststellen, dass er es nicht wusste. Er konnte sich überhaupt nicht mehr von der Stelle bewegen. Er lag da und dachte nach und bewegte hin und wieder zaghaft irgendeines seiner tausend Beine, aber tanzen konnte er nicht mehr. Ja, mit seinem Tanz war es ein für allemal vorbei!"

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Humor, schreibt Michael Ende, "ist jene Bewusstseinshaltung, die es uns ermöglicht, die eigene Unzulänglichkeit ohne Bitterkeit einzugestehen und uns leicht zu machen […] dass man Fehler haben und machen darf, ja, dass wir geliebt sind, gerade wegen unserer Fehler.
Und damit führt uns der Bogen ganz unmerklich und von selbst zu unserem Ausgangspunkt zurück, dem freien, absichtslosen Spiel.
Der Tausendfüßler kann wieder tanzen."

Kreativität als Bewegungsfreiheit

Martin Buber schreibt, "In der Bewegung wird unmittelbar sichtbar, was das Ich und mein Gegenüber leiblich, mit allen Sinnen kann: Kann es sich abgrenzen, durchsetzen, etwas fordern, Wut zeigen, sich entspannen, atmen."

Das Tanzen als die Fähigkeit, in unserer ganz individuellen Sprache unsere Interessen und Fähigkeiten auszuleben, sei es über das Kochen, Malen, Schreiben, Gespräche führen, Kinder erziehen, Wissen weitergeben, Musizieren, Gärtnern, Hausarbeiten, Dinge reparieren,
Aufräumen, Meditieren, oder Vögel füttern. 

Kreativität ist auch eine Bewegungsfreiheit (geistig, seelisch, körperlich)
Eine Wandelbarkeit. Können wir alles ausdrücken, was in uns schlummert und ausgedrückt werden möchte?


© Anja Müller 2025

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